Schweiz

Prozess zum Tötungsdelikt in Schafisheim: 49-Jähriger soll Frau aus Eifersucht getötet haben

Bezirksgericht Lenzburg

Angeklagter tyrannisierte Familie über Jahre: 49-Jähriger soll Frau aus Eifersucht getötet haben

23.05.2024, 11:53 Uhr
· Online seit 23.05.2024, 11:36 Uhr
Ein 49-Jähriger steht am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Lenzburg, weil er vor drei Jahren in Schafisheim seine Frau getötet haben soll. Die Anklageschrift offenbart, wie die gesamte Familie jahrelang vom Vater terrorisiert wurde. Dies, weil er wahnhaft glaubte, seine Frau betrüge ihn.

Quelle: TeleM1 / Archivbeitrag 19. Mai 2021

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Der heute 49-jährige Angeklagte L. K.* und seine damals 44-jährige Ehefrau zogen kurz nach ihrer Heirat im Jahr 1997 aus dem Kosovo in die Schweiz. Von Beginn weg zeigte sich der Mann «zu einem gewissen Grad eifersüchtig in der Beziehung», heisst es in der Anklageschrift. Im Alltag habe er seine Frau regelmässig kontrolliert. Ab Weihnachten 2020 verstärkten sich dieser Kontrollwahn und die Eifersucht. K. glaubte, dass ihn seine Frau betrügt.

Frau durfte sich nicht mehr rasieren

Das Misstrauen und die Eifersucht wuchsen von da an immer weiter. Er begann, seine Frau systematisch zu kontrollieren und zu überwachen. Gleichzeitig verbot er ihr, sich zu parfümieren, rasieren oder übermässig zu schminken, um ja keine Aufmerksamkeit von anderen Männern zu erhalten. Ausserdem rief er sie immer wieder bei der Arbeit an und verliess selbst seinen eigenen Arbeitsplatz regelmässig, um seine Frau zu kontrollieren. Gleichzeitig installierte er Video- und Tonaufnahmegeräte im gemeinsamen Haus und im Auto des Opfers.

Dann nahm der Kontrollwahn weitere Dimensionen an: K. tauschte Schlösser an den Türen aus und brachte welche am Schlafzimmerfenster an, die Schlüssel behielt er für sich. Neben seinem Bett hatte er ein Küchenmesser, «um damit allfällige Liebhaber seiner Ehefrau zu vertreiben», wie es in der Anklageschrift heisst.

Zu gynäkologischer Untersuchung gezwungen

Schliesslich kam es wegen K.s Verhaltens immer wieder zu Streit zwischen den Ehepartnern. K. beschimpfte seine Frau mehrmals und wurde auch gewalttätig. Er wollte einen Beweis für ihre Untreue finden, dann wäre aus seiner Sicht auch eine Tötung gerechtfertigt.

Schliesslich drohte der Kontrollwahn komplett zu eskalieren. Als K. von seiner Frau eine gynäkologische Untersuchung verlangte, weil er glaubte, dass sie mit einem anderen Mann Sex gehabt hatte, zog sie mit ihrer ältesten Tochter zu ihren Eltern. Dort wurde sie weiter bedrängt, worauf sie schliesslich in die Untersuchung einwilligte, um die Situation zu deeskalieren. Im Gegenzug forderte sie von ihrem Mann, dass er seine Überwachung stoppen soll, wenn das Ergebnis negativ sei. Das war es auch, doch K. hörte mit seinem Verhalten nicht auf. Das Opfer zog deshalb Ende Februar zu ihren Eltern.

Frau zog wegen Corona-Infektion zurück zum Angeklagten

Währenddessen verstärkte sich der Kontrollwahn des Angeklagten weiter. Er begab sich täglich zum Aufenthaltsort seiner Frau und engagierte sogar einen Privatdetektiv, der sie ganztags beschatten sollte. Als die Frau schliesslich eine Corona-Infektion hatte und ihre Eltern nicht gefährden wollte, zog sie vorübergehend zurück zu ihrem Mann – unter der Bedingung, dass er mit seinen Kontrollen und Gewalttaten aufhören muss.

Kinder versuchten Mutter zu beschützen

Das war wenige Stunden vor dem tödlichen Angriff. K. hielt sich nicht an das Versprechen, worauf sich auch die Kinder einmischten, da sie sich um die Mutter sorgten. Die älteste, damals 20-jährige Tochter wurde von K. mit einem Messer bedroht, erst als sich die beiden anderen Geschwister hinter sie stellten, beruhigte sich die Situation. Die Familie legte sich schliesslich schlafen, K. liess jedoch nicht zu, dass die Kinder bei der Mutter liegen durften, obwohl sie sich grosse Sorgen machten.

Im Schlafzimmer schloss K. die Tür hinter sich ab und war mit seiner Frau allein. Nach Tagen der Trennung wollte er mit ihr intim werden, was sie jedoch klar abwies, weil sie die Beziehung als gescheitert betrachtete. Als auch K. dies klar wurde, wurde er gewalttätig. «Der Beschuldigte griff dabei das Opfer mit einem Vernichtungswillen tätlich an, da in seiner Vorstellung das Opfer entweder seine Ehefrau zu sein hat oder sonst nicht leben sollte», heisst es in der Anklage. K. begann seine Frau zu würgen, während sie sich heftig wehrte. Sie wurde dann bewusstlos.

Erst als die Polizei kam, öffnete K. die Tür

Kurz zuvor war es ihr jedoch gelungen, kurz laut aufzuschreien, was die Kinder weckte. Sofort waren sie an der Schlafzimmertür und hämmerten auf sie ein. Doch K. strangulierte seine Frau weiter. Durch die verschlossene Tür erklärte er seinen drei Kindern, dass sie gleich keine Mutter mehr hätten. Daraufhin wählte die älteste Tochter den Notruf. Erst als die Polizei eintraf, öffnete der Angeklagte die Tür und liess sich festnehmen.

Zu diesem Zeitpunkt hielt K. seine Frau für tot. Sie lebte jedoch noch und wurde in kritischem Zustand ins Spital gebracht. Doch der Sauerstoffmangel hatte bereits tödliche Schäden verursacht, die Frau starb wenige Tage nach dem Angriff.

Tochter mit Messer bedroht und täglich als «Schlampe» bezeichnet

Doch der 49-Jährige ist auch wegen seiner Drohungen und Tätlichkeiten gegenüber seiner Kinder angeklagt. Er hatte die heute 23-jährige Tochter mehrfach mit dem Tod bedroht, als sie sich in den Streit ihrer Eltern eingemischt und sich auf die Seite der Mutter gestellt hatte. Er werde sie «wie ein Tier aufschlitzen und umbringen», habe er ihr unter anderem gesagt. Täglich wurde sie ausserdem von K. als «Schlampe» bezeichnet. Zudem hat er auch sie mehrfach gewürgt und gewaltsam gepackt.

Auch die jüngere Tochter, heute 20 Jahre alt, und den Sohn, heute 15 Jahre alt, bedrohte K. mit dem Tod. Letzterer musste sich schon seit Jahren vor Schulprüfungen jeweils anhören, dass ihn sein Vater umbringen werde, wenn er eine schlechte Note machen werde. Passierte dies doch, wurde er geschlagen. K. setzte den damals 12-Jährigen auch auf seine Frau an. Er sollte sie observieren und musste dafür auf Schlaf verzichten. Sollte er die Mutter beim Fremdgehen erwischen, versprach der Vater ihm eine Playstation.

Das fordert die Staatsanwaltschaft

Zwei Tage dauert der Prozess gegen K. Die Staatsanwaltschaft fordert für all die Taten eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren, eine unbedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 Franken (insgesamt 900 Franken) und eine Busse von 700 Franken. Ausserdem beantragt sie eine ambulante therapeutische Massnahme während des Strafvollzugs. Die Untersuchungs- und Anklagekosten von insgesamt knapp 65'000 Franken soll der Beschuldigte ebenfalls bezahlen. Das Urteil wird am Freitagnachmittag erwartet.

*Name der Redaktion bekannt

veröffentlicht: 23. Mai 2024 11:36
aktualisiert: 23. Mai 2024 11:53
Quelle: ArgoviaToday

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