Was ist passiert?
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) fuhr in der Periode von Januar bis Juni 2022 einen Verlust von 95,2 Milliarden Franken ein. Im ersten Quartal verbuchte die Bank ein Minus von 32,8 Milliarden Franken, im zweiten Jahresviertel kamen 62,4 Milliarden Franken dazu. Dabei handelt es sich um den grössten Verlust der SNB in ihrer über 100-jährigen Geschichte.
Warum kam es zum Mega-Verlust?
Grund ist vor allem die schwache Entwicklung an den internationalen Finanzmärkten. Bereits kleinste Bewegungen führen auf den hohen Reserven der SNB von aktuell gegen 1000 Milliarden Franken zu hohen Gewinnen oder Verlusten für die Nationalbank. Wegen des Ukrainekriegs, der stark gestiegenen Inflation und vermehrt auch Rezessionsängsten entwickelten sich die Aktienmärkte im ersten Halbjahr stark rückläufig. Aber auch die fast weltweit steigenden Zinsen spielen eine Rolle. Diese führten zu hohen Bewertungsverlusten auf den Anleihenmärkten, begleitet vom schwachen Euro.
Kann die SNB die Beiträge an Bund und Kantone noch ausschütten?
Erholen sich die Finanzmärkte nicht deutlich, sind die Ausschüttungen an Bund und Kantone akut gefährdet. Ob dies zutrifft, kann aktuell noch nicht genau gesagt werden. Grund dafür ist, dass die Ausschüttungen allein abhängig vom Jahresergebnis beziehungsweise einem Bilanzgewinn per Ende Jahr sind.
Womit rechnen Ökonomen?
Ökonomen zeichnen gegenüber «SRF» ein eher düsteres Bild. «Es schaut so aus, als gäbe es dieses Jahr keine Ausschüttung. Zumindest sind wir hart an der Grenze», sagt etwa Dirk Niepelt, Volkswirtschaftsprofessor an der Uni Bern. Skeptisch ist auch Jan-Egbert Sturm, Leiter der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Mit solch grossen Summen sei es tatsächlich nicht sehr wahrscheinlich, dass die Ausschüttung auf dem gleichen Niveau bleibe, wie es bis jetzt der Fall gewesen sei.
Welche Folgen hat der Verlust für Kantone?
Da Ökonomen mit einem hohen Verlust gerechnet hatten, kam die Nachricht am Freitagmorgen nicht überraschend. Er wolle nicht den Teufel an die Wand malen, sagte Anfang Woche etwa Silvan Hilfiker, FDP-Fraktionschef im Grossen Rat des Kantons Aaargau zur «Aargauer Zeitung»: «Es ist erst die Hälfte des Jahres durch. Aber ja, wenn ich jetzt ein Budget für das nächste Jahr erstellen müsste, wäre ich sehr zurückhaltend und würde sicherheitshalber keine Nationalbank-Ausschüttung einplanen.»
Die Ausgleichsreserven von über 700 Millionen Franken wurden laut Hilfiker in den letzten Jahren massgeblich mit Gewinnausschüttungen der Nationalbank gefüllt. Sollte die Nationalbank für nächstes Jahr aber nichts ausschütten können, müssten Einschränkungen abgeklärt werden.
Die Finanzdirektion des Kantons Zürich schreibt am Freitag in einer Medienmitteilung, der Kanton habe in den letzten Jahren von den Ausschüttungen der SNB stark profitiert. Im Rahmen einer Medienkonferenz voraussichtlich im September werde der Kanton bekannt geben, ob und in welcher Höhe der Regierungsrat mit Ausschüttungen der SNB rechne. Sollte es notwendig sein, könne der Regierungsrat auch mit dem Novemberbrief noch Anpassungen beantragen.
(bza/ sda)