Schweiz

Haben Chinesen in der Schweiz spioniert? Der kuriose Geheimdienstfall um das Hotel Rössli

Berner Oberland

Haben Chinesen in der Schweiz spioniert? Der kuriose Geheimdienstfall um das Hotel Rössli

· Online seit 14.10.2024, 14:35 Uhr
Eine chinesische Familie führte ein Hotel gleich neben dem Militärflugplatz Meiringen. Der Nachrichtendienst des Bundes vermutete, dass die Chinesen den F-35-Kampfjet ausspionieren sollten. Durch Zufall wurden sie entdeckt.
Raphael Bühlmann / watson
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Eine chinesische Familie soll beim Militärflugplatz Meiringen für China den F-35-Kampfjet ausspioniert haben. Sie betrieb ein Hotel direkt neben dem Flugplatz. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) ist durch Zufall auf die mutmasslichen Spione aufmerksam geworden, wie jetzt bekannt wurde.

Der auffällige Spaziergang

Das Hotel Rössli liegt im Berner Oberland direkt neben dem Militärflugplatz Meiringen. Im Oktober 2022 waren dort Personen aus Frankreich und Pakistan zu Gast. Bei einem Spaziergang kamen sie in die Nähe der Sperrzone. Für die Kantonspolizei waren sie verdächtig. Sie kontrollierte die Gruppe, klärte die Personalien ab und informierte auch den Nachrichtendienst des Bundes (NDB), um mögliche terroristische Verbindungen abzuklären. Das Verdikt: Die «Verdächtigen» waren völlig harmlos.

Der Vorfall blieb jedoch nicht ohne Folgen. Der NDB wurde erst dadurch darauf aufmerksam, dass sich direkt neben dem Militärflugplatz ein Hotel befindet – das von der chinesischen Familie Wang geführt wurde. Das hat eine Recherche des Tages-Anzeigers zutage gebracht. Beim NDB schrillten die Alarmglocken. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich China darum bemüht, den amerikanischen Kampfjet F-35 auszuspionieren. Die Schweiz hat sich für dieses Modell entschieden, die Luftwaffe greift dafür auf den Militärflugplatz Meiringen zurück.

Auffällig: Die Familie Wang kaufte das Rössli, als bekannt wurde, dass sich die Schweiz für den F-35 interessiert. Bereits im Sommer 2019 wurde der Jet in Meiringen getestest – die Chinesen konnten dies aus nächster Nähe mitverfolgen. Zu verdächtig für den NDB. Er eröffnete im Herbst 2022 eine Untersuchung.

Die Personenkontrolle im Hotel Rössli

Kurze Zeit später, im November 2022, führte die Polizei im Rössli eine Personenkontrolle durch. Es zeigte sich, dass die chinesische Familie Wang, die das Hotel führte, illegal in der Schweiz war. Der Sohn konnte eine Aufenthaltsbewilligung vorweisen, die er für ein Studium an der Hotelfachschule in Leysin am Genfersee erhalten hatte – sie war jedoch längst abgelaufen. Die Eltern hingegen hatten überhaupt nie eine Aufenthaltsbewilligung besessen. Sie hatten auch keine Erlaubnis, ein Hotel zu betreiben.

Die Wangs mussten das Hotel dichtmachen. Einen ganzen Winter lang wurden sie nicht gesehen, doch im Frühjahr 2023 war plötzlich der Sohn wieder da. Er stellte einen Antrag auf eine Aufenthaltsbewilligung und eine Betriebserlaubnis für das Rössli. Auch seine Eltern reisten wieder in die Schweiz ein – mit einem Touristenvisum.

Die CIA macht Druck

Die Spezialisten der Schweizer Spionageabwehr fanden heraus, dass der Familenvater der Wangs als Sohn eines chinesischen Diplomaten in Bonn und Berlin aufgewachsen war. Dieser war in der Zeit des Kalten Kriegs auch in Indien und in den USA gewesen.

Es stand also die Frage im Raum, wieso diese chinesische Familie ausgerechnet das heruntergekommene Rössli führen wollte – und auch, woher sie das Geld zum Kauf des Hotels hatten.

Die CIA zeigte sich besorgt. Zusammen mit ihren britischen Partnern übten sie Druck auf die Schweiz aus, die Sicherheitsvorkehrungen bei militärisch genutzten Flugplätzen zu verbessern. Die Wangs mussten in der Folge entweder verschwinden oder der F-35 würde nie mehr in Meiringen landen dürfen.

Die Schweizer Spionageabwehr wurde also aktiv. Die Berner Behörden lehnten die Gesuche der Wangs um Aufenthalts- und Betriebsbewilligung für das Rössli ab. Die chinesische Familie zeigte sich davon jedoch unbeeindruckt. Sie führten das Rössli trotzdem weiter.

Die Razzia

Am 26. Juli 2023 kam es zur Razzia im Rössli. Die Polizei nahm die ganze Familie Wang zur Befragung auf den Posten mit. Allesamt stritten sie ab, Beziehungen zu chinesischen Staatsstellen oder Sicherheitsbehörden zu haben. Kurz darauf verliessen die drei Chinesen die Schweiz, diesmal endgültig.

Der Sohn bestritt später auch gegenüber dem «Tages-Anzeiger» jegliche Verwicklung in Spionage. Die Familie wurde wegen Widerhandlungen gegen das Ausländer- und das Gastgewerbegesetz zu bedingten Geldstrafen verurteilt.

Ein Strafverfahren wegen Verdachts auf nachrichtendienstliche Tätigkeit wurde jedoch nie geführt.

veröffentlicht: 14. Oktober 2024 14:35
aktualisiert: 14. Oktober 2024 14:35
Quelle: watson

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