Quelle: TeleZüri / Archiv-Video vom 29.4.2021
Das Bezirksgericht Brugg rechnet damit, dass der Prozess auf grosses Interesse in der Öffentlichkeit stossen wird. Aus diesem Grund wurde die Hauptverhandlung in die Räumlichkeiten der Mobilen Polizei in Schafisheim verlegt. Dort soll es mehr Platz für Zuschauende haben.
Der Prozess wird voraussichtlich vier Tage lang dauern. Am Montag sollen Auskunftspersonen und Sachverständige einvernommen werden. Am Dienstag und Mittwoch werden die Parteien angehört und am Donnerstag um 16 Uhr soll das Urteil verkündet werden.
Was ist passiert?
Im Frühjahr 2019 wurde Dejan D.* aus Hüntwangen im Kanton Zürich als vermisst gemeldet, nachdem er seine Wohnung in unbekannte Richtung verlassen hatte und nicht wiederkehrte. Erst im April 2020 schaufelten Wanderer den Eingang zu einer Höhle auf dem Bruggerberg im Kanton Aargau frei und stiessen überraschend auf die Leiche des vermissten Dejan D. Obwohl an der Leiche keine Spuren äusserer Gewalteinwirkung festgestellt werden konnten, ging die Polizei aufgrund der verschlossenen Höhle von einem Tötungsdelikt aus. Trotz intensiver Ermittlungen kam die Polizei aber in diesem Fall zunächst kaum weiter.
Im März 2021 wurde dann eine Sonderkommission für die Aufklärung des Falls gegründet. Nach umfangreichen Ermittlungen und Hinweisen aus der Bevölkerung konnte die Kantonspolizei Aargau knapp einen Monat später bereits den Beschuldigten Pascal K.* festnehmen. Dieser gestand die Tat schliesslich.
Quelle: Tele M1
Opfer flehte um Hilfe, während es eingeschlossen wurde
Laut der Anklageschrift lernten sich Opfer und Beschuldigter Ende 2018 kennen. Während Pascal K. von einer IV-Rente lebte, war Dejan D. berufstätig. Bei ihren gemeinsamen Ausflügen lud D. seinen Freund deshalb regelmässig ein. Mit der Zeit entwickelte K. jedoch Neidgefühle, da sich sein Freund aus seiner Sicht viel mehr leisten konnte und ein besseres Leben hatte.
Er begann Dejan D. zu diversen «Challenges» zu überreden, um ihn zu plagen. Sollte er diese nicht absolvieren, drohte er, die Freundschaft zu kündigen. Das Opfer fühlte sich dadurch zunehmend bedrängt und ausgenutzt. Es deutete mehrfach an, mehr Zeit mit anderen Kollegen verbringen zu wollen – was beim Beschuldigten das Fass schliesslich zum Überlaufen brachte.
Auch am Tattag sollte das Opfer auf dem Bruggerberg eine Challenge absolvieren. Jeder von ihnen solle allein und ohne Uhr zehn Minuten in der Höhle ausharren. Als Pascal K. auch noch mit dem Freundschaftsende drohte, erklärte sich Dejan D. schliesslich bereit, als erster in die Höhle zu steigen. Die ersten paar Minuten sprach der damals 22-jährige Beschuldigte sogar noch mit seinem Opfer, fasste jedoch dann den Entschluss, es in der Höhle einzuschliessen. Mit grossen Steinen und Schutt verschloss er den Eingang zur Höhle, während das Opfer drinnen um Hilfe flehte. Dejan D. starb schliesslich an Unterkühlung.
Freiheitsstrafe und stationäre Massnahme
Nachdem Pascal K. auch die Habseligkeiten des Opfers – Handy und Jacke – zur Verwischung der Spuren entsorgt hatte, ging er nach Hause. In den folgenden Tagen und Monaten kehrte er immer wieder an den Tatort zurück, um sicherzugehen, dass Dejan D. nicht entdeckt wird.
Weil die Staatsanwaltschaft der Ansicht ist, dass der Beschuldigte aus niederen Beweggründen den Tod des jungen Mannes herbeigeführt und dabei besonders grausam gehandelt habe, lautet die Anklage auf Mord. Aus diesem Grund fordert sie eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren und 4 Monaten sowie die Androhung einer stationären Massnahme.
Weiterer Mordversuch
Neben dem «Höhlenmord» legt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten zudem noch einen vorausgegangenen Mordversuch zur Last. Der Angeklagte und Dejan D. – die freundschaftlich verbunden gewesen sein sollen – waren rund eine Woche vor der Tötung gemeinsam im Tessin wandern. Dort soll Pascal K. sein Opfer auf einem Berggrat so gestossen haben, dass dieser einen Steilhang hinunterstürzte. Dejan D. habe die Tat nur durch Glück mit leichten Verletzungen überlebt. Deshalb lautet die Anklage auch auf versuchten Mord.
Psychologe: «Muss in ihm eine perverse Freude ausgelöst haben»
Der Psychologe Thomas Estermann glaubt nicht, dass nur Neid zu diesen Taten geführt hat. «Da war eine grosse Isolation und völlige Verzweiflung bei dem jungen Mann. Und auch Rache, weil er sich ungerecht behandelt gefühlt hatte. Normaler Neid führt nicht dazu, dass man den Beniedenen umbringt», erklärt Estermann.
Womöglich wollte Pascal K. auch einfach seine Überlegenheit demonstrieren. «Die höchste Machtausübung ist über Leben und Tod. Das muss in ihm eine perverse Freude oder perverse Befriedigung ausgelöst haben – was doch sehr krankhaft ist», sagt der Psychologe gegenüber Tele M1.
*Name der Redaktion bekannt
(rce/vro)