Schweiz

Prozess zum Femizid von Schafisheim: Das war der erste Tag vor Gericht

Prozess zum Femizid von Schafisheim

Kinder des Angeklagten: «Du bist kein Vater, sondern ein kaltblütiger Mörder»

24.05.2024, 14:37 Uhr
· Online seit 23.05.2024, 16:34 Uhr
Ein 49-Jähriger stand am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Lenzburg, weil er seine Frau 2021 in Schafisheim ermordet haben soll. Vor Gericht bestritt er die meisten Vorwürfe. Sein Verteidiger fordert maximal fünf Jahre Haft, die Staatsanwaltschaft hingegen deutlich mehr.

Quelle: Tele M1 / Daniel Arnold / CH Media Video Unit / Linus Bauer

Anzeige

L. K.* hatte seine Familie über Jahre tyrannisiert, wie der erste emotionale Prozesstag am Donnerstag zeigte. Der Mann war dem wahnhaften Glauben verfallen, seine Frau betrüge ihn, weshalb er sie zeitweise rund um die Uhr überwachte und kontrollierte. Das Ganze gipfelte schliesslich im Femizid an seiner Ehefrau im März 2021, als er sich mit ihr im Schlafzimmer einschloss und sie erwürgt haben soll.

Für Staatsanwalt Daniel von Däniken ist der Fall klar: K. litt an krankhafter Eifersucht. Einen Beweis für Untreue hatte er jedoch nie gefunden. Von Däniken spricht von einem Stalking-Verhalten. «Er merkte irgendwann, dass sich seine Frau von ihm trennen wollte, deshalb brachte er sie um», sagt er zu Tele M1. Bei der Tat sei er besonders skrupellos vorgegangen, weshalb die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten unter anderem Mord und mehrfache Drohung vorwirft. Über Monate hinweg hatte er seine Frau verfolgt oder sie überwachen lassen, selbst von seinem jüngsten Sohn und einem Privatdetektiv. Seine Kinder hat er über Jahre bedroht, geschlagen und beschimpft, wie es in der Anklageschrift heisst.

Quelle: TeleM1 / Archivbeitrag 19. Mai 2021

Angeklagter: «Tut mir weh, meine Frau verloren zu haben»

Vor Gericht gab er sich am Donnerstag jedoch als fürsorglicher Familienvater: «Ich mache mir Sorgen um meine Familie, es tut mir weh, meine Frau verloren zu haben», so seine Aussage laut «20 Minuten». Er weist auch die Vorwürfe zurück, dass er seinen Sohn geschlagen haben soll, wenn dieser schlechte Noten heimbrachte. Und seine älteste Tochter habe er nur einmal und nicht täglich als «Schlampe» bezeichnet, wie ihm vorgeworfen werde. Seine Kinder – auf der gegenüberliegenden Seite – sind anderer Ansicht: Ihr Anwalt fordert ein fünfjähriges Kontaktverbot, mit dem Vater wollen sie nicht mehr sprechen. Ausserdem wollen sie den Familiennamen des Vaters ablegen und jenen der Mutter übernehmen.

Kinder: «In unseren Augen bist du kein Vater, sondern ein kaltblütiger Mörder»

Die drei Geschwister hatten hilflos vor der verschlossenen Schlafzimmertür gestanden, als K. seine Frau würgte. Ursprünglich wollten sie am Prozess teilnehmen, waren jedoch psychisch nicht in der Lage dazu. In einem Brief, den der Verteidiger im Gerichtssaal vorlas, schildern sie ihre Trauer und wie sehr sie die Mutter vermissen. «Was die Tat mit uns gemacht hat, ist unbeschreiblich. Keine Strafe wird wiedergutmachen, was unserer Mutter angetan wurde», steht gemäss «Aargauer Zeitung» im Brief. Und zum Vater schrieben die Kinder: «In unseren Augen bist du kein Vater, sondern ein kaltblütiger Mörder. Wir waren dabei und flehten dich an, ihr nichts anzutun. Deine Antwort war: Ich habe es gleich. Mama gibts bald nicht mehr.» L.K. brach während des Vorlesens des Briefs in Tränen aus.

Quelle: TeleM1 / Archivbeitrag vom 19. März 2021

In der Anklageschrift heisst es immer wieder, dass L.K. auch Dritten – etwa dem Vater des Opfers – erklärt habe, dass er seine Frau töten werde, wenn er sie mit einem anderen Mann erwische. Vor Gericht bestätigen dies weitere Zeugen. Trotzdem will er die Tat nicht geplant haben. «Ich habe in dieser Nacht die Kontrolle verloren», gibt der Angeklagte in seinem Abschlussvotum zu Protokoll. «Es tut mir weh für die Kinder», sagte er weiter.

Das fordern Anklage und Verteidigung

Mittlerweile ist L.K. in Therapie. Ein Psychiater diagnostizierte bei ihm eine psychische Störung mit wahnhafter Eifersucht und Depression. Seine Schuldfähigkeit ist deshalb leicht bis mittelgradig vermindert. Normalerweise droht bei einem Mord eine lebenslängliche Haftstrafe. Die Staatsanwaltschaft fordert deshalb eine 16-jährige Freiheitsstrafe mit ambulanter psychiatrischer Therapie, eine Geldstrafe und eine Busse.

Der Opferanwalt fordert gleichzeitig für die Kinder eine Genugtuung von je 100'000 Franken. Gemäss Staatsanwalt von Däniken findet der Unterschied zwischen Mord oder Totschlag im Innern des Täters statt. «Wir sind der Meinung, dass der Täter sich die Tat über längere Zeit die Tat überlegt hat, er konnte nicht verstehen, dass sich seine Frau von ihm trennen wollte. Deshalb hat er sie kaltblütig und gefühlskalt erwürgt.»

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

Sein Verteidiger fordert eine Verurteilung wegen Totschlags. L.K. soll mit maximal fünf Jahren bestraft werden. Auch er fordert eine ambulante Therapie, zudem will er, dass auf das Kontaktverbot zu den Kindern verzichtet wird. «Die Gesamtsituation war sehr bedrückend für den Angeklagten, die Gefühlsregung war nachvollziehbar», sagt der Anwalt gegenüber Tele M1. Die Tat sei nicht geplant gewesen, die Situation habe sich immer weiter zugespitzt, auch die Kinder hätten dazu beigetragen, dass sich die angestauten Gefühle entluden. L.K. gehe der Prozess sehr nahe. «Er bereut die Tat zutiefst.»

Das Urteil des Bezirksgerichts Lenzburg wird für Freitag um 16 Uhr erwartet.

*Name der Redaktion bekannt

veröffentlicht: 23. Mai 2024 16:34
aktualisiert: 24. Mai 2024 14:37
Quelle: ArgoviaToday

Anzeige
Anzeige
zueritoday@chmedia.ch