Fast 50 Länder aus der ganzen Welt werden bei dem Turnier vertreten sein und 500 Spieler werden acht Tage lang gegeneinander antreten. Als die WM ins Leben gerufen wurde, mussten die Spielerinnen und Spieler obdachlos sein. Heute können auch Leute mitmachen, die einen anderen Lebenshintergrund haben. Da gibt es Spieler, die verschuldet oder suchtkrank sind, oder auch eine schlimme Flucht hinter sich haben.
Wie jedes Jahr ist die Schweiz mit dabei. Dieses Mal reist der Verein Surprise sogar zusätzlich mit einem Frauenteam an. «Wir haben hier viel Vorarbeit geleistet. Für uns war es immer ein Anliegen, dass wir auch weibliche Teilnehmende fürs Projekt gewinnen», sagt Janosch Martens, Projektleiter Strassenfussball beim Verein Surprise.
«Mit Strassenfussball zu mehr Kraft und Mut»
Armutsbetroffene, sozial ausgegrenzte und suchtkranke Menschen sind oft einsam, sie gehören nicht dazu. «Und mit den Strassenfussball-Teams werden die Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer wieder zu Teamplayern. Mit der Vorbereitung und dann der Teilnahme am Homeless World Cup gewinnen die Menschen Selbstvertrauen, Kraft und Mut», ergänzt Martens.
Mit der Teilnahme verpflichten sich die Spieler pünktlich und vorbereitet an Trainings und Spielen teilzunehmen. Das gibt ihnen Struktur. Zudem wird diese Teilnahme mit der Weltmeisterschaft im Ausland belohnt, sagt Janosch Martens: «Zum ersten Mal erleben sie eine Reise ins Ausland und treffen auf neue Bekanntschaften. Es ist schön zu sehen, wie sie aufeinander zugehen und ihre Lebensgeschichten teilen – hier entstehen wahre Freundschaften.»
«Die Herkunft spielt keine Rolle»
Die 22-jährige Habiba zählt zum diesjährigen Frauenteam. Sie kann ihr Glück kaum fassen. «Dass Frauen Fussball spielen dürfen, das kannte ich so nicht. Das ist nun das erste Mal, dass ich einem Hobby nachgehen kann, ohne mich dafür schämen zu müssen – weil ich eine Frau bin.» Habiba ist vor einigen Jahren aus Iran geflohen. Vor rund zwei Jahren konnte sie in der Schweiz einen sicheren Wohnort finden. Nun besucht sie das 10. Schuljahr und lernt die deutsche Sprache.
Mit diesen Voraussetzungen Anschluss zu finden, ist laut Habiba sehr schwierig. Als sie dank einer Bekannten auf den Fussballverein von Surprise gestossen ist, fand sie eine neue Passion, die ihr zugleich Menschen gab, die ähnliche Lebenssituationen erlebten. Sie betont, wenn man nicht die gleiche Sprache spricht, kämpft man oft im Leben, gesehen zu werden: «Aber im Fussball ist es anders. Alle Menschen sind gleich – hier spielt die Herkunft, der Bildungsstatus oder die Familie keine Rolle, denn wir sind ein Team.»
Die Mannschaften trainieren nun wöchentlich, um auch als Team die bestmöglichen Chancen zu haben: «Es ist nicht wichtig, dass wir gewinnen. Wir sollten Spass haben und zusammen etwas lernen können.» Habiba meint, dass sie als Gewinn bereits die Teilnahme am Homeless World Cup bezeichnen kann.
Janosch Martens betont: «Die Selektion erfolgt nicht nach sportlichen Kriterien. Wir legen Wert auf Diversität und für wen es in der jetzigen Lebenssituation gewinnbringend sein könnte. Zudem sollen schweizweit alle die Möglichkeiten haben, mitzumachen, auch wenn sie noch nie Fussball gespielt haben.» Jedes Jahr sucht Surprise nach neuen passenden Kandidatinnen und Kandidaten von 18 bis 65 Jahren, denn jede Spielerin und jeder Spieler darf nur einmal im Leben teilnehmen.
«Mit 65 Jahren in Südkorea Fussball zu spielen, ich bin einfach nur glücklich»
Auch der 65-jährige Heini Hassler, wohnhaft in Chur, darf dieses Jahr als Team-Goalie mitreisen. Ein Highlight für Heini: «Dabei zu sein, ist grossartig. Es ist ein Aufsteller für mich, Menschen zu begegnen, die in ähnlichen Lebenssituationen leben.» Heini Hassler hatte in seiner Jugendzeit durchschnittlich 13 epileptische Anfälle am Tag.
So war es ihm nicht möglich, eine richtige Ausbildung zu machen. Durch seine Medikamente konnte er im Leben wieder Fuss fassen. Eine Begegnung mit einem Surprise Mitarbeiter brachte Heini vor rund vier Jahren zum Verein Surprise. «Ich fühle mich geehrt, ein Teil vom Ganzen zu sein. Mein Ziel ist es, mit der Mannschaft so gut wie möglich abzuschneiden, aber vor allem ein schönes Erlebnis zu haben.»
Heini sagt, dass er schon mal im Ausland seine Sportlichkeit unter Beweis stellen durfte. Denn im Jahr 2005 nahm er bei den Special Olympics als Eiskunstläufer in Japan teil. Dieser Wettkampf richtete sich an geistig beeinträchtigte Athletinnen und Athleten. Mit seinen Erlebnissen ist er voller Überzeugung: «Hier zählt ein gutes Zusammenspiel, viel Selbstvertrauen und nicht schnell aufgeben.»
«Nicht der Sieg ist das Ziel»
Vom Trainingslager in der Schweiz geht es direkt an den Veranstaltungsort, wo die Weltmeisterschafts-Spiele stattfinden. Zuvor gibt es vereinzelte Trainingstage. «Wir reisen direkt vom Trainingscamp zur Weltmeisterschaft, denn so können wir auch sicherstellen, dass alle mit an Bord sind.»
Dann dürfen sich die zwei Schweizer Teams in Seoul in Südkorea, der 16. grössten Hauptstadt der Welt, vom 20. bis 29. September auf die Spiele freuen. «Es gibt starke und weniger starke Teams, aber die Mannschaften passen ihr Niveau auf den Plätzen an. Hier steht Fairplay an erster Stelle», so freut sich auch Janosch Martens auf die Veranstaltung mit den Schweizer-Nati-Teams.
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