Zürich

Deutschkurse im Kanton Zürich frustrieren Flüchtlinge mit Schutzstatus S

«Massenabfertigung»

Zürcher Deutschkurse frustrieren ukrainische Flüchtlinge

19.09.2024, 15:45 Uhr
· Online seit 17.09.2024, 06:30 Uhr
Die deutsche Sprache und der Schweizer Dialekt bereitet Ukrainern mit Schutzstatus S Mühe. «Viele Deutschkurse sind eine Massenabfertigung», kritisiert ein Vertreter des Ukrainischen Vereins Schweiz. Wünsche hat er auch an die Arbeitsgspänli.
Anzeige

Voci und Grammatik büffeln – das werden viele Ukrainerinnen und Ukrainer noch längere Zeit tun. Kürzlich gab der Bundesrat bekannt, den Schutzstatus S für Flüchtlinge aus der Ukraine bis 2026 zu verlängern. Deutschkurse sind gefragt. Knapp 24'000 Personen mit Schutzstatus S haben seit März 2022 im Kanton Zürich einen Sprachkurs besucht.

Gleichzeitig mangelt es an Lehrerinnen und Lehrern. «Derzeit fehlen in der Integrationsförderung über 100 Kursleiterinnen und Kursleiter in den Bereichen Sprache und Alphabetisierung», teilte der Schweizerische Verband für Weiterbildung Ende August mit. Grund dafür sind der Fachkräftemangel und die erhöhte Nachfrage nach Deutschkursen aufgrund des Programms für Personen mit Schutzstatus S.

Sasha Volkov, Vorstandsmitglied des Ukrainischen Vereins Schweiz, wünscht sich ein besseres Angebot. «Viele Deutschkurse im Kanton Zürich sind eine Massenabfertigung», sagt er zur Today-Redaktion. Sprachbegabte Ukrainerinnen und Ukrainer kämen damit zurecht, während andere Mühe hätten. Deutsch sei eine anspruchsvolle Sprache, dazu komme der Schweizer Dialekt. «Viele Ukrainerinnen und Ukrainer würden mehr profitieren, wenn der Unterricht individueller gestaltet wäre und die Lehrpersonen besser auf die einzelnen Kursteilnehmenden eingehen würden.»

Hochdeutsch statt Schweizerdeutsch am Mittagstisch

Volkov nimmt aber auch die Arbeitgeber in die Pflicht. Um einen Job zu bekommen, setzten einige Firmen ein sehr hohes Deutschniveau voraus, sagt er. «Arbeitgeber sollten das Niveau tiefer setzen, damit mehr Ukrainerinnen und Ukrainer die Chance haben, arbeiten zu können.»

Selbst angestellte Geflüchtete, welche Hochdeutsch gut beherrschten, wünschen sich laut Volkov von Kolleginnen und Kollegen manchmal mehr Verständnis. «Manche sitzen mittags mit dem Team am Tisch und verstehen nichts, weil alle Schweizerdeutsch reden.» Viel bereitwilliger wechselten die Schweizerinnen und Schweizer auf Hochdeutsch, wenn ein Teammitglied aus Deutschland oder Österreich dabei sei. «Viele Ukrainerinnen und Ukrainer würden sich auch weniger ausgeschlossen fühlen, wenn mehr Hochdeutsch gesprochen würde.»

«Erhalten zielgerichtete Förderung»

Die Integrationsagenda Kanton Zürich (IAZH) bietet Deutschkurse für alle Geflüchteten an, inklusive Personen mit Schutzstatus S. Das Fördersystem enthält verschiedene geprüfte und subventionierte Deutschkurse für unterschiedliche Niveaustufen von A1 bis B2. Nina Gilgen, Leiterin der Fachstelle Integration des Kantons Zürich, macht, konfrontiert mit der Kritik, darauf aufmerksam, dass die Sprachstandabklärung die Einteilung in passende Niveaus und Formate ermögliche. «Damit erhalten die Geflüchteten im Unterricht eine zielgerichtete Förderung, die den individuellen Lernfortschritt berücksichtigt.» Darüber hinaus ergänzten viele Gemeinden, die vom Kanton akkreditierten Angebote mit zusätzlichen Sprachkursen von Freiwilligenorganisationen oder gemeindeeigenen Sprachkursen.

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

Verbesserungspotenzial bei den akkreditierten Sprachangeboten sieht Gilgen im Moment nicht. «Grundsätzlich decken die aktuellen Angebote den Bedarf gut ab». Ältere Geflüchtete profitierten besonders von niederschwelligen Kursangeboten. «Der Bedarf wird aktuell gedeckt, doch bleibt es wichtig, diese Zielgruppe weiterhin zu unterstützen.»

Sprachniveau unterscheide sich je nach Beruf und Betrieb

Ähnlich klingt es beim Verband der Gemeindepräsidien des Kantons Zürich. Die Gemeinden ergänzen die vom Kanton subventionierten Angebote mit zusätzlichen Kursangeboten und auch Freiwilligenorganisationen engagieren sich bei der Vermittlung der Sprache, wie Präsident Jörg Kündig sagt. «Natürlich stellt sich auch hier die Frage der personellen Ressourcen grundsätzlich, aber auch von Personen, die über die nötigen sprachlichen Voraussetzungen zum Erteilen der Sprachkurse verfügen.» Die Gemeinden versuchten mit grossem Engagement, gute Lösungen zu finden und so zu ermöglichen, dass Ukrainerinnen und Ukrainer im Bereich Schule, Bildung, aber auch im Alltag die sprachlichen Voraussetzungen erlangten, die für eine bestmögliche Integration erforderlich seien.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband hält fest, dass sich das konkrete Sprachniveau, das die Arbeitgeber voraussetzen, je nach Beruf und Betrieb unterscheidet. «In international tätigen Unternehmen etwa, in denen Englisch die Hauptarbeitssprache ist, werden je nachdem andere Deutschkenntnisse vorausgesetzt als in kleineren Betrieben, in denen hauptsächlich Deutsch gesprochen wird», sagt Mediensprecher Jonas Lehner.

veröffentlicht: 17. September 2024 06:30
aktualisiert: 19. September 2024 15:45
Quelle: ZüriToday

Anzeige
Anzeige
zueritoday@chmedia.ch