Zürich

Geburtstafeln für Babys werden in der Region Zürich immer häufiger bestellt

Nachwuchs ist da

Geburtstafeln boomen – Eltern wehren sich gegen Naserümpfen

· Online seit 08.01.2024, 06:21 Uhr
Babyschilder zieren inzwischen nicht nur Häuser in ländlichen Gebieten, sondern vermehrt auch in der Region Zürich. Manche Passantinnen und Passanten finden das aber nicht so herzig. Eine Mutter sagt, warum diese falsch liegen.
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Von wegen Januarloch – zumindest das Geschäft mit Geburtstagstorten und Girlanden muss wie geschmiert laufen. Die meisten Schweizerinnen und Schweizer haben im Januar Geburtstag. An Neujahr erblickten im Kanton Zürich zudem mehrere Babys das Licht der Welt. Gut möglich ist, dass Livs, Theas, Hamzas oder Olivers Name bereits eine Geburtstafel ziert. Die herzigen, bunten Schilder boomen zurzeit in der Schweiz. Im Internet gibt es dafür extra Shops.

Einen davon führt der ehemalige Radioreporter Michel Dietrich in Affoltern am Albis. Seinen Geburtstafel-Versand eröffnete er 2020. Er bekomme Bestellungen aus der ganzen Schweiz, etwa aus Luzern, Bern, Zug und St.Gallen, sagt er. «Besonders im Raum Zürich nimmt die Nachfrage zurzeit kontinuierlich zu.»

Er vermutet, dass viele Menschen aus ländlichen Gebieten die Tradition ins Züribiet gebracht hätten. «Sie studierten in Zürich und liessen sich danach auch dort nieder.»

Verkleidete Tierchen statt Dumbo

Seine Leidenschaft für die Tafeln entdeckte Dietrich bei einer Velotour durch die Schweiz. «Ich fand es herzig, durch das Entlebuch zu fahren und Scheune um Scheune mit Geburtstafel zu sehen.»

Dietrich wollte die Standard-Tafeln modernisieren. «Sie sollen junge, moderne Eltern ansprechen», sagt er. Seine Motive zeigen deshalb nicht etwa Dumbo oder Comic-Babys, sondern als Indianer verkleidete Tierfiguren, Mädchen und Jungen. «Als ich Mütter in der Region nach beliebten Sujets fragte, nannten sie Indianertiere.» Diese Motive fänden übrigens auch in den ländlichen Gebieten Anklang.

Grosser Kinderwunsch

Selbst Hand angelegt hat eine Familie in Herrliberg am Zürichsee. Ihr Haus ziert eine Geburtstafel in Form eines Bären. Sohn Liam* wurde 2022 geboren. Den richtigen Namen und das genaue Geburtsdatum will die Familie wegen der grösseren Reichweite auf ZüriToday nicht erwähnen. «Wir wollen mit der Tafel die Freude über die Geburt unseres dritten Kindes ausdrücken», sagt Mutter Patrizia. Sie hätten sich sehr ein drittes Kind gewünscht. «Zuvor erlitt ich zwei Fehlgeburten. Darüber sprechen ich offen, da ich dieses Thema enttabuisieren möchte.»

Patrizias Mann ist Schreiner und sägte den Bären aus, sie bemalte ihn. «Wir wohnten früher in Hinwil, wo solche Tafeln sehr üblich sind», sagt die 43-Jährige. In der Innerschweiz habe sie solche sogar an beinahe jedem Bauernhaus gesehen.

Mit der Geburtstafel wollen die Eltern nicht nur ihre Freude über den Nachwuchs ausdrücken. In der Nähe befinde sich eine gefährliche Strasse und vor ihrem Haus eine grosse Baustelle, sagt Patrizia. «Wir dachten uns auch, dass die Leute vielleicht etwas mehr Rücksicht nehmen, wenn sie die Tafel sehen.»

Aus Tafel wird Garderobe

Auch für die beiden älteren Töchter bastelten die Eltern Geburtstafeln. Nachdem sie den Hasen und den Fuchs abmontiert hatten, versahen sie diese mit Haken und funktionierten sie zu Garderoben um. «Die Mädchen freuen sich seither über ihren persönlichen Jackenhaken», sagt Patrizia. Auch die Tafel ihres Sohnes hätten sie an seinem ersten Geburtstag zu einer Garderobe umfunktionieren wollen. «Da wir im Haus aber zurzeit zu wenig Platz haben für eine dritte Garderobentafel, bleibt die Tafel noch etwas draussen.»

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Der Bär mit dem Namen und Geburtsdatum hat auch schon eine direkte Reaktion ausgelöst. «Als ich mit Liam kürzlich draussen laufen lernte, sagte ein Mann: ‹Ah, das ist also Liam›», erzählt Patrizia.

«Heisst nicht, dass wir unsere Kinder verwöhnen»

Anbietern von Geburtstafeln zufolge sollen diese auch helfen, dass die Kinder schneller integriert werden und ihren eigenen Stolz entwickeln. Manche Passantinnen und Passanten rümpfen die Nase, wenn sie beim Spazieren auf die Schilder treffen. So halten sie diese für übertrieben und vermuten dahinter Eltern, die ihre Kinder hochjubeln oder zumindest vor Stolz über den eigenen Nachwuchs platzen.

Patrizia kann solche Kritik nachvollziehen. «Vor allem Leute, die keine Kinder haben, können dies übertrieben finden», sagt sie. Als Kindergartenlehrerin sei ihr aber erst recht bewusst, wie wichtig eine gesunde Erziehung sei. «Nur weil wir solche Tafeln haben, heisst das nicht, dass wir unsere Kinder verwöhnen oder sie besonders ins Zentrum stellen.»

Patrizia überlegt sich inzwischen sogar, auch für andere Kinder Geburtstafeln herzustellen. «Eine Freundin empfahl mir, daraus einen Nebenerwerb zu machen.»

*Name der Redaktion bekannt.

veröffentlicht: 8. Januar 2024 06:21
aktualisiert: 8. Januar 2024 06:21
Quelle: ZüriToday

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