Jeder zweite Mensch in der Schweiz erleidet einmal im Leben eine psychische Erkrankung, gemäss Pro Mente Sana. Fast alle Menschen kennen in ihrem persönlichen Umfeld Personen, denen es psychisch nicht gut geht oder eine Zeit lang nicht gut gegangen ist. Das Projekt ensa von Pro Mente Sana leistet einen Beitrag zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen und bietet Erste-Hilfe-Kurse für psychische Gesundheit an.
Das steckt hinter den Ensa Kursen
Die Struktur der Kurse kann man sich wie in einem Nothelferkurs vorstellen. Ein Kurs dauert 12 Stunden, diese werden auf vier Tage an drei Stunden verteilt. Das alternative Modell eines Webinars wird auf sieben Termine verteilt. «Wir haben bewusst viele Parallelen zum Nothelferkurs», sagt Dalit Jäckel-Lang, Leiterin Prävention & Ensa Schweiz. «Die Kursteilnehmenden lernen bei uns das kleine Einmaleins der psychischen Erkrankungen und die Erste Hilfe wird durch zahlreiche Übungen vermittelt.»
Zu jedem Störungsbild gebe es ein Rollenspiel. «In Kleingruppen üben die Teilnehmenden. Eine Person nimmt die Rolle des Betroffenen ein und eine andere die Rolle des Ersthelfenden», so Jäckel-Lang. «Es wird geübt, wie psychische Probleme unvoreingenommen angesprochen werden und wie offen kommuniziert und Hilfe angeboten wird.»
Die anderen Gruppenmitglieder beobachten die Situation und geben Feedback. Es seien ein bis zwei Instruktorinnen oder Instruktoren vor Ort, aber während der Rollenspiele arbeite die Gruppe für sich, so die Beraterin. «Die instruierende Person geht von Gruppe zu Gruppe und gibt Inputs. Auch bei den Webinars werden die Gruppen für die Rollenspiele in Breakout-Rooms geschickt. Am Schluss werden die Rollenspiele im Plenum diskutiert, so können die Teilnehmenden jeweils von den anderen Gruppen profitieren.»
Programm läuft seit drei Jahren
ensa gibt es seit dem Jahr 2019, wie Dalit Jäckel-Lang erklärt. «Deshalb nehmen wir eine starke Zunahme in der Nachfrage wahr, im Jahr 2021 entsprach dies einer Steigerung um rund 130 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.» Die Buchungen der ensa Kurse steige auch weiterhin an. «Das Programm Mental Health First Aid wurde vor 20 Jahren in Australien erfunden. Wir bieten das gleiche Programm an – was wir ändern, ist der schweizerische Kontext.»
Das heisst kulturelle, juristische und politische Aspekte sowie die angegebenen Ressourcen sind auf die Schweiz angepasst. «Auch haben wir den Kurs in vier Sprachen im Angebot. Aber sonst ist der Inhalt wie in Australien.» Dies, weil er dort jahrelang erprobt und dadurch wissenschaftlich abgestützt sei.
«Auch heute lernen uns die Leute erst noch kennen, weil wir den Kurs erst seit drei Jahren anbieten. Täglich melden sich zahlreiche Interessierte bei uns». Deshalb biete Ensa nun auch viel mehr Kurse an. «Wir spüren, dass das Thema Psychische Gesundheit durch die Pandemie in der Gesellschaft an Wichtigkeit gewonnen hat. Firmen wollen mehr zu diesem Thema anbieten und berichten, dass sich psychische Probleme häufen.» Durch die Pandemie sei das Thema ein Stück weit enttabuisiert worden.
Psychische Erkrankungen unterscheiden können
Hauptanfragen würden tatsächlich von Firmen kommen, aber auch Organisationen, Sportvereine und Schulen seien an den Kursen interessiert, so Jäckel-Lang. Knapp zwei Drittel aller Kurse finden im internen Kontext statt. «Lehrpersonen wollen den Umgang mit psychischen Problemen von Jugendlichen lernen, so rufen Lehrpersonen beispielsweise an, wenn es einen Suizidfall an der Schule gegeben hat.»
ensa bietet zwei Haupt-Kurse an: Einerseits der Erste-Hilfe-Kurs für psychische Gesundheit mit dem Fokus Erwachsene und andererseits ein Kurs mit dem Fokus auf Jugendliche. Die Zielgruppe in den Erste-Hilfe-Kursen Fokus Jugendliche sei anders, aber die Inhalte sehr ähnlich. Der Kurs dauere zwei Stunden länger, da Probleme bei Jugendlichen oft auf die Pubertät geschoben werden.
«Es heisst oft, Auffälligkeiten seien in diesem Alter normal, etwa bei übermässigem Gamen oder sehr negativer Körperwahrnehmung. Es gibt zwar dieses normale pubertäre Verhalten, aber es kann auch ein Weg zur Erkrankung sein», so Jäckel-Lang.
Es sei wichtig, den Kursteilnehmenden zu vermitteln, wie sie zwischen pubertärem Verhalten und psychischer Erkrankung unterscheiden können. Der Elterneinbezug sei dabei auch sehr wichtig. «Wie kann ich und wann soll ich die Eltern einbeziehen? Darüber möchten wir Klarheit schaffen.»
Forschung liefert positive Ergebnisse
Jeder Kurs werde evaluiert, erklärt Jäckel-Lang. «Die Teilnehmenden sind sehr zufrieden. Die meisten fühlen sich nachher sicherer beim Ansprechen von psychischen Problemen.» Die Bereitschaft der Teilnehmenden, Erste Hilfe für psychische Gesundheit zu leisten, steigt mit dem Kurs im Durchschnitt um rund 30 Prozent an.
Die Forschung zu Mental Health First Aid sei international breit abgestützt, der Kurs vermittle wertvolles Wissen und wirke entstigmatisierend. «Den Teilnehmenden selbst geht es nach dem Kurs auch besser, das ist ein schöner Nebeneffekt. Aber vor allem fühlen sie sich sicherer beim Ansprechen und Helfen. Über 95 Prozent unserer Kursteilnehmenden würden den ensa Erste-Hilfe-Kurs für psychische Gesundheit weiterempfehlen, das freut uns sehr», so Jäckel-Lang.
Es ist wichtig psychische Probleme bei Angehörigen, Freunden oder Arbeitskollegen rechtzeitig zu erkennen, auf die Menschen zuzugehen und Hilfe anzubieten, heisst es bei Pro Mente Sana. Denn je länger man wartet, desto schlimmer können Probleme werden.