Frühmorgens ging es zu Hause bei V.M.* in Wädenswil um Leben und Tod. «Am Donnerstag um 7.30 Uhr hörte ich Schreie vom Balkon», sagt sie. Auf dem Balkon erblickte sie ihren vierjährigen Kater, der einen Vogel geschnappt hatte. Sie habe ihren Augen kaum getraut. «Im Maul hatte Fredi keinen normalen Vogel, sondern einen Wellensittich.» Der Fang ist doppelt speziell. «Fredi ist eine Hauskatze und hat vorher noch nie einen Vogel gefangen», sagt die Halterin.
Als M. eingriff, entwischte der Wellensittich dem Kater. «Fredi war selbst schockiert von seinem Fang», sagt M. lachend. Darauf habe sie den Vogel in die Badewanne gesetzt und für den Transport in einem Karton bereit machen wollen. Dies sei ihr aber nicht gelungen, da der Vogel ständig herumgeflogen sei. Kurzerhand bastelte M. deshalb ein Schmetterlingsnetz. «Damit schaffte ich es, den Wellensittich einzufangen und in den Karton zu setzen.»
Wellensittich scheint unverletzt
M. meldete den Wellensittich sofort dem Tierferienheim Stolzboden in Wädenswil. Auch informierte sie auf Facebook und in Gruppen-Chats über das gerettete Tier. «Leider wusste aber niemand, wem der Wellensittich gehört.»
Zurzeit kümmert sich Ivo Zürcher, Leiter des Ferienheims Stolzboden, um den Vogel. Dieser weise keine sichtbaren Verletzungen auf, sagt Zürcher. «Da Katzenbisse aber tief reingehen und schnell wieder zuwachsen, ist nicht sicher, dass er überleben wird.» Gerät Speichel der Katze in den Blutkreislauf, können Vögel innerhalb von 24 Stunden sterben.
«In 95 Prozent der Fälle meldet sich niemand»
Beim Wellensittich handelt es sich laut Zürcher um einen Jungvogel. «Er ist etwas geschwächt, weil er etwas mager ist.» Zürcher vermutet, dass er schon länger in der Gegend herumflog. Wellensittiche könnten im Käfig ständig knabbern und magerten schnell ab, hätten sie einen Tag nichts zu fressen.
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Zürcher päppelt ihn nun mit Spezialkörnern und Eifutter auf. Letzteres sei besonders für Babyvögel geeignet, sagt er. «Er ist schon kräftig am Reinbeigen», sagt Zürcher zufrieden. Am Donnerstag gab er bei der Schweizerischen Tiermeldezentrale STMZ eine Fundmeldung auf. Zürcher wäre nicht überrascht, wenn niemand den Vogel vermissen würde. «In 95 Prozent der Fälle meldet sich niemand.» Oft liessen Besitzer Vögel frei, weil sie sie loswerden wollten. Sollte sich niemand melden, bietet ihm die Voliere des Tierferienheims ein neues Zuhause.
*Name der Redaktion bekannt.