Zürich

Nachbarschaftsstreit in Zürich: «Ich merke, dass der Ton aggressiver wird»

Streit in Zürich

«Ton wird aggressiver» - hast du auch Zoff mit deinen Nachbarn?

· Online seit 01.03.2022, 07:22 Uhr
Seit Wochen sorgt der Streit innerhalb einer Zürcher Nachbarschaft auf Reddit für Schmunzler. Das lustige Beispiel steht aber für eine negative Entwicklung: Immer öfter streiten sich Nachbarn. Ein Experte erzählt, welche Themen am häufigsten für Zoff sorgen.
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Ein Streit innerhalb einer Zürcher Nachbarschaft macht seit Wochen auf dem Netzwerk Reddit die Runde. Ein Hund soll ein Kind angesprungen und dabei gekratzt haben. Die Eltern reagieren energisch und melden sich per Notiz im Aufzug bei den Nachbarn. Diese wiederum reagieren mit Spott und Häme. Das kuriose Beispiel steht aber für einen allgemeinen Trend in Zürich: Die Zahl der Nachbarschaftsstreitereien steigt.

Egal ob zu laute Partys im Sommer, Parkieren auf fremden Grund oder der Geruch von Grillfleisch: Nicht nur in Zürich, sondern schweizweit wird immer mehr gestritten. Über 60 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer nerven sich über die eigenen Nachbarn, wenn man einer Studie des Vergleichsportals Comparis glaubt. Zigarettenqualm, Unfreundlichkeit, Lärm oder das leidige Teilen der Waschküche seien die häufigsten Ursachen für Frust. Aus diesem Frust kann sich dann schnell ein handfester Nachbarschaftsstreit entwickeln. Die Zahl solcher Streitigkeiten, die daraufhin sogar vor Gericht landen, steige nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Zürich leicht an, wie Cornel Tanno, Leiter Rechtsabteilung des Hauseigentümerverband Zürich weiss.

Hast du auch schon mal Zoff mit deinen Nachbarn oder irgendwo eine kuriose Notiz entdeckt? Dann melde dich bei uns und erzähl uns deine Erlebnisse.

«Pflanzen sind ein Dauerthema»

«Bei den Ursachen für Nachbarschaftsstreitereien gibt es drei Klassiker. Auf Platz eins stehen Bäume und Sträucher», so Tanno. Hier gäbe es regelmässig Zoff über Höhe der Hecke, Abstand des Gartenzauns oder zu lange Äste, welche dem Nachbarn die Aussicht nehmen oder für unbeliebten Schatten sorgen. «Pflanzen sind tatsächlich ein Dauerthema», so Tenno zu ZüriToday.

Auf Platz zwei rangieren dem Experten zufolge Bauarbeiten und Renovierungen. «Viele Menschen nutzen in letzter Zeit die Möglichkeit, beim eigenen Bau aufzustocken, diesen zu erweitern oder zu verschönern. Das kann beim Nachbarn ganz schnell für Unmut sorgen, wenn zum Beispiel die schöne Aussicht auf einmal nicht mehr da ist oder viel weniger Sonnenlicht in die Wohnung fällt.»

An dritter Stelle bei den Ursachen für Nachbarschaftsstreitereien stehen Lärm und Geruch. «Hier geht es um zu laute Sommerpartys, Musik bei Nacht oder zu starken Fleischgeruch, wenn der Nachbar im Sommer grilliert.» Tanno arbeitet seit 23 Jahren für den Zürcher Hauseigentümerverband und hat in den letzten Jahren gespürt, dass sich der Ton zwischen den Nachbarn immer mehr verschärft. «Ich merke, dass der Ton aggressiver wird. Die Menschen sind seltener bereit, das Gespräch zu suchen und die Sache bilateral zu lösen», erklärt er.

Bei Problemen kommt der Anwalt

Nicht nur gäbe es einen leichten Anstieg der Streitereien, auch würden diese mittlerweile auch häufiger vor Gericht landen. «Es wird viel schneller mit dem Anwalt gedroht, was auch dazu führt, dass die Streitereien sich eher in die Länge ziehen.» Laut einer Umfrage von Comparis landen mittlerweile 15 Prozent der Streitereien zwischen Nachbarn in der Schweiz vor Gericht. Etwa gleich viel Prozent sind wegen eines solches Streits schon umgezogen.

Tanno erklärt, dass Personen sich viel häufiger im Voraus juristisch absichern, bevor sie überhaupt an den Nachbarn herantreten und auf das Thema aufmerksam machen. Das führt dazu, dass sich dann auch die andere Partei in die Enge gedrängt fühlt. «Und dann holt sie sich auch einen Anwalt. Man will ja schliesslich Waffengleichheit.»

Einzig die Kosten würden hier noch ein wenig hemmen. «Ein Friedensrichter kostet in erster Instanz vielleicht ein paar hundert Franken. Das ist überschaubar, aber sobald man dann vor dem Bezirks- oder sogar vor dem Bundesgericht landet, wird dies deutlich teurer. Da sollte man sich überlegen, ob eine bilaterale Schlichtung nicht doch der vernünftigere Weg wäre.» Dabei sollte man nicht nur an die eigene Geldbörse, sondern auch an die eigene Gesundheit denken: Eine Studie der Universität of Michigan hat herausgefunden, dass das Risiko für einen Herzinfarkt deutlich sinkt, wenn man mit seinen Nachbarn ein gutes Verhältnis hat.


veröffentlicht: 1. März 2022 07:22
aktualisiert: 1. März 2022 07:22
Quelle: ZüriToday

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