Zürich

Prozess in Horgen: Eltern sollen Kind gefesselt, geknebelt und geschlagen haben

Prozess in Horgen

«Ich wurde mit 5 Jahren geschlagen, gefesselt und gewürgt»

23.01.2024, 09:26 Uhr
· Online seit 15.01.2024, 06:35 Uhr
Eine Mutter und ein Vater müssen sich am Montag vor dem Bezirksgericht Horgen verantworten. Laut Anklage fesselten und schlugen sie ihre Tochter. Diese nahm vor Gericht Stellung.
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Die Tochter der mutmasslichen Quäl-Eltern aus Horgen hat am Montag vor Gericht ausführlich über die «Erziehungsmethoden» ihrer Eltern erzählt. Die junge Frau schilderte, wie sie seit früher Kindheit von ihren Eltern geschlagen, eingesperrt und gefesselt wurde.

Die gewaltsamen Übergriffe kamen oft ohne Vorwarnung. «Manchmal war es jeden Tag, manchmal nur einmal pro Woche», sagte die mittlerweile volljährige Tochter bei der Befragung. «Und es kam von beiden aus.»

Ab einem Alter von etwa fünf Jahren sei sie gewürgt, geschlagen oder getreten worden. «Sie stiessen mich die Treppe hinunter und sperrten mich mit Klebeband gefesselt und geknebelt in den Keller.» Sie könne sich an keine Zeit ohne Gewalt erinnern.

«Familie ging über alles»

Nach aussen habe die Familie ausgesehen, als ob sie funktioniert habe. «Familie war das grösste, Familie ging über alles.» Ihre Eltern seien aber völlig überfordert gewesen. Nach einer besonders gravierenden Prügel-Attacke flüchtete die Tochter zu ihrer Grossmutter und ging schliesslich zur Kantonspolizei.

Die Tochter leidet gemäss eigenen Aussagen heute noch stark unter den drakonischen «Erziehungsmethoden». «Es gibt Tage, da schaffe ich es kaum aus dem Bett», sagte sie unter Tränen. Sie sei mit alltäglichen Sachen überfordert, habe Probleme im Studium. Sie macht eine Therapie und nimmt Antidepressiva.

Die Schwester hält zu den Eltern

Ihre Schwester steht überraschenderweise jedoch auf der Seite der beschuldigten Eltern. Sie beteuerte in der Befragung, dass ihre Schwester sich die meisten gewaltsamen Übergriffe nur ausgedacht habe. «Sie hat schon immer gerne Geschichten erzählt», sagte sie.

Der Vater habe sie zwar mal geschlagen, ein Opfer sei ihre Schwester aber nicht. «Im Gegenteil. Sie hat mich und auch die Brüder terrorisiert und geschlagen.» Auch auf die Mutter sei sie losgegangen. «Ihr Ziel war es, mal einen Gerichtsprozess mitzuerleben. Das hat sie jetzt ja erreicht.»

Die Staatsanwaltschaft fordert für beide vier Jahre Freiheitsstrafe wegen schwerer Körperverletzung. Der Anwalt des 45-jährigen Vaters findet eine Geldstrafe wegen Körperverletzung angemessen. Die Anwältin der 44-jährigen Mutter fordert einen vollen Freispruch. Der Prozess wird am Nachmittag mit der Befragung der Eltern fortgesetzt.

Im August 2021 verhaftet

Ab welchem Zeitpunkt die Schule und die Behörden intervenierten, geht aus der Anklage nicht hervor. Im August 2021 hatte die Polizei die Eltern verhaftet und steckte sie für einen Monat in Untersuchungshaft. Seit Ende September 2021 sind sie wieder auf freiem Fuss. Das Bezirksgericht Horgen wird das Urteil gegen die beiden am 22. Januar eröffnen.

(sda/bza)

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veröffentlicht: 15. Januar 2024 06:35
aktualisiert: 23. Januar 2024 09:26
Quelle: ZüriToday

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