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Sneakerness Zürich: Fan erzählt, warum er Turnschuhe liebt und ihn die Szene nervt

Sneakerness in Zürich

Sneaker-Liebhaber erzählt, warum er Turnschuhe liebt und ihn die Szene nervt

· Online seit 05.05.2023, 07:59 Uhr
Viele Menschen sammeln Dinge, weil sie ihnen gefallen. Jannis sammelt Sneakers. Im Interview erzählt er, was ihn an der Szene stört, was er an der Materie liebt und was bei dem Hobby für ihn das Wichtigste ist. Spoiler: Die Schuhe sind es nicht.

Quelle: ZüriToday / Olivia Eberhardt / Beitrag vom Mai 2023

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Seit bald zehn Jahren sammelt Jannis aus Zürich Turnschuhe. Der 27-Jährige lebt im Zürcher Kreis 4, studiert Kommunikation, arbeitet selbständig als Fotograf und betreibt ein eigenes Labor für analoge Fotografie.

Wo und wie genau die Faszination für Sneakers angefangen hat, weiss er selber nicht mehr so genau. «Schuhe haben mich allgemein schon immer fasziniert», erzählt er. «Für einen Look sind Schuhe essenziell», findet er: «Ein cooler Schuh kann ein Outfit aufwerten, abrunden und ein Schuh der nicht abgelatscht ist, macht einfach etwas her», so der 27-Jährige.

Die Geschichte hinter dem Schuh

Was dem Schuh-Aficionado anfangs auch nicht bekannt war, ist die Riesen-Community, die hinter dem ganzen steht. Per Zufall nahm er an einem Event in Basel teil und erst dort habe sich ihm gezeigt, dass das eigentlich eine riesige Szene ist. «Das ist der normalen Gesellschaft gar nicht bewusst», erzählt er und lacht.

Faszinierend an der Materie «Sneaker» ist für ihn, dass es, obwohl es nur «ein Turnschuh» ist, es in ganz viele verschiedene Richtungen gehen kann. Sei das von der Form, der Farbe, dem Material oder der Dicke der Sohle und dem Tragekomfort bis hin zur Entstehungsgeschichte. «Es gibt Modelle, die schon seit Mitte der 80er Jahre dazu gehören und solche, die nur eine kurze Zeit im Trend sind», erklärt Jannis.

«Manche kaufen blind drauflos»

Wie er erzählt, hat sich die Szene in den letzten Jahren merklich verändert. «Der Hype ist in den letzten fünf Jahren explodiert», sagt er und fügt an: «Ich habe auch das Gefühl, dass die Leute oft blindlings irgendetwas kaufen um sich zu profilieren. Hauptsache teuer, Hauptsache selten, habe ich das Gefühl». Damit habe er oft Mühe, könne sich da aber auch selber nicht ganz rausnehmen, weil jeder irgendwie, irgendwo dazugehören möchte.

«Das wichtigste an solchen Sachen überhaupt finde ich, dass man sie in erster Linie für sich selber macht, für niemand anders und selber Freude daran hat», erklärt er.

Der Wahnsinn des Konsums

Was seinen Konsum angeht, habe er «zurückgeschraubt», wie er erzählt. «Wenn man sich da zu tief reinbegibt, ist man jeden Tag am Handy, schaut sich jeden Tag Schuhe an und fängt irgendwann selber an zu spinnen», sagt er. «Der Konsum hört ja nicht einfach auf. Die reine Masse an Schuhen, die täglich released wird, da kann kein normaler Mensch mithalten», sagt er kritisch.

Immer wieder stellt sich für ihn auch die Frage, ob es überhaupt zulässig ist, so viele Schuhe zu besitzen. Auch zum Beispiel von Marken, die nicht fair produzieren. «Ist es okay, so etwas im Schrank zu haben? Das sind schon Sachen, womit ich Mühe habe», gibt er zu.

Sammeln verbindet die Menschen

«Man muss nicht alles verstehen», so der 27-Jährige. Seine Leidenschaft hat ihm aber auch gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die irgendetwas sammeln und das verbindet. «Man hat zwar nur ein Paar Füsse, aber wenn ich mit einem schönen Schuh das Haus verlasse und mich gut fühle, macht das den Tag für mich gleich besser», erklärt er seine Leidenschaft.

Im Gegensatz zu manchen anderen Sammlern ist er nicht einer Marke komplett verfallen und trägt, was ihm gefällt. «Ich habe zum Beispiel viele Hemden und finde es schön, wenn ich sie mit dem passenden Schuh kombinieren kann. Wenn ich mich gut fühle, strahle ich das auch aus.»

In der Sneaker-Szene gibt es die verschiedensten Typen von Menschen. Es gibt zum Beispiel jene, die Schuhe wegen ihres Wiederverkaufswertes erstehen und sie später wieder verkaufen.

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Es gibt wichtigeres im Leben

Er selber zählt sich zu denjenigen, die einfach Freude an den Schuhen haben und sie für sich selber kaufen und tragen. «Man wird auch ein Stück weit erwachsener», sagt Jannis. Damit meint er, dass die Schuhe nicht das sind, was ihn ausmachen. «Schuhe sind nicht das, was im Leben wichtig ist», stellt er klar.

Dass Schuh-Freaks ihren Tretern Sorge tragen, versteht sich von selbst. Wie lässt sich das mit dem Alltag und vielleicht einem spontanen Clubbesuch vereinbaren? «Gewisse Schuhe wurden halt quasi ‹degradiert›. Auch wenn sie teuer waren und man zusammen spontan in den Ausgang will, dann ist es halt so», erzählt er und schmunzelt. Weiss man aber schon vorher, was auf einen zukommt, wird schon drauf geachtet, die Schuhe der sozialen Situation entsprechend auszusuchen.

«Das war absolut sinnfrei»

Was er früher einmal gemacht hat und heute sicher nicht mehr machen würde, wäre über 2000 Franken für einen Turnschuh auszugeben. «Das ist aber schon ein paar Jahre her und der Schuh ist mittlerweile noch massiv mehr wert. Wenn ich zurückdenke, würde ich das nie wieder machen. Absolut sinnfrei. Braucht niemand und mit dem Geld kann man viel Gescheiteres anstellen», so Jannis.

«Das Schönste am Schuhe sammeln, das was es eigentlich ausmacht, sind die Leute, denen man dabei begegnet. Dann geht es gar nicht mehr um die Schuhe, sondern um den Kontakt. Es geht darum, gute Menschen zu treffen, mit denen man durchs Leben gehen kann» – und das dann vielleicht auch noch mit schönen Schuhen an den Füssen.

veröffentlicht: 5. Mai 2023 07:59
aktualisiert: 5. Mai 2023 07:59
Quelle: ZüriToday

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