Neben Brockis und Flomis gibt es in Zürich eine weitere Adresse für Antiquitäten-Liebhaber und Schnäppchenjäger: Das städtische Gantlokal im Kreis 4. Im einzigen Gantlokal der Stadt werden jeden Donnerstagnachmittag Artikel aus Zwangsverwertungen und Haushaltsauflösungen öffentlich versteigert. Die Artikel reichen vom Motorrad über Schmuck, Uhren und Teppichen bis zu ganzen Büroeinrichtungen.
Klare Regeln: So laufen die Versteigerungen ab
Bei einer Gant gelten strikte Regeln. Der Zuschlag geht an die oder den Meistbietenden, nachdem das Höchstgebot dreimal aufgerufen wurde. Der Preis muss sofort in bar beglichen werden – bis zu einem Betrag von 100'000 Franken. Für höhere Summen ist ein Kostenvorschuss nötig. Mitbieten ist sogar bei Abwesenheit möglich: Interessierte können im Voraus schriftliche Gebote abgeben.
Vor der Versteigerung bleibt eine halbe Stunde Zeit, die Gegenstände vor Ort zu besichtigen, wobei viele Artikel auch auf der Website des Gantlokals mit Fotos aufgelistet sind. Jeder kann ohne Anmeldung vorbeikommen und mitbieten.
Die Schritte steigen mit den Geboten: bei Summen über 100 Franken zum Beispiel um 20 Franken, ab 1000 Franken jeweils um 50 Franken. Soweit die Theorie. Aber wie genau läuft das in der Praxis ab? Wir haben uns unter die Bietenden gemischt.
Die Ankunft: Erwartungsvolle Spannung
Schon vor Beginn der Besichtigung warten rund 30 Interessierte vor dem Gantlokal. Die Kundschaft ist vorwiegend männlich und höheren Alters. Man kennt sich, einige sind in Gruppen hier und fachsimpeln erwartungsvoll zu den heutigen Gantartikeln. Kurz vor halb zwei Uhr öffnet der Gantführer die Tür.
Die Besichtigung: Alles wird genau inspiziert
Der Raum füllt sich, und die Besucher verteilen sich im Gantlokal. Hier und da sieht man Notizbücher, in denen sich die potenziellen Käufer Notizen machen. Der Geruch im Saal erinnert an eine Brockenstube.
Die Artikel sind auf Tischen bereitgelegt und nummeriert. Kleingegenstände wie Uhren und Schmuck sind durch Absperrband und Vitrinen abgetrennt. Möchte man sich diese genauer anschauen, meldet man sich beim Personal. Je näher der Beginn der Versteigerung rückt, desto voller wird es. Einige Gäste verzichten auf eine Besichtigung und nehmen gleich ihre Sitzplätze ein. Sie scheinen sich vorgängig schon online informiert zu haben.
Die Eröffnung: Der Gantführer tritt in Aktion
Punkt zwei Uhr startet die Gant. Der Gantführer ist der Chef im Saal. Er trägt ein Nackenbügelmikrofon und bittet die Anwesenden über die Lautsprecher, Platz zu nehmen. Die Atmosphäre ist entspannt, fast wie auf einem Freizeitevent.
Manche scheinen eher aus Interesse dabei zu sein, als um tatsächlich etwas zu kaufen. Nachdem die Regeln der Versteigerung klargestellt und das Personal mit Applaus begrüsst wurde, beginnt der Versteigerungsprozess.
Ein Auto, ein Motorrad und viele Schnäppchen
Der erste Gegenstand ist ein Subaru Impreza, Jahrgang 2011, mit 114'000 Kilometern auf dem Zähler. Das Startgebot liegt bei 1000 Franken. Schnell schiessen erste Hände in die Höhe und die Gebote steigern sich bis auf 4500 Franken. Das Auto hat einen glücklichen Käufer gefunden, der das Fahrzeug direkt in bar bezahlt. Die Steigerungsbedingungen verlangen eine Abholung am nächsten Tag.
Ein Höhepunkt der Versteigerung ist das Motorrad «Indian Scout» mit nur 3000 Kilometern auf dem Tacho. Einige Bietende stehen etwas abseits beim Eingang und telefonieren mit Abwesenden, die aus der Ferne mitbieten. Die Szene erinnert an einen Krimi.
Das Motorrad erreicht einen stolzen Preis von 6300 Franken. Ob es sich bei diesem gut gepflegten Stück um eine Zwangsverwertung oder eine freiwillige Versteigerung handelt, ist nicht klar. Der Ausweis wird dem Käufer direkt übergeben, die Abholung erfolgt ebenfalls am Folgetag.
Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.
Auch kleinere Artikel finden ihre Käufer
Einige waren offenbar nur wegen der Fahrzeuge hier. Nach der Versteigerung des Autos und des Motorrads verlassen einige Bietende den Saal und der Gantführer verabschiedet sie mit Namen. Weitere Gegenstände wie Weinflaschen, Schmuck und Teppiche finden schnell ihre Abnehmer bei Fredy, Felix, Marco, Jusuf und Gabriela. Der Gantführer kennt sie alle mit Vornamen.
Das Personal bringt die ersteigerten Artikel direkt in die Sitzreihen zu den Käufern und kassiert sofort. Manche Bietenden scheinen sich auf bestimmte Artikel spezialisiert zu haben. Während einige vor allem Wein ersteigern, interessieren sich andere für Schuhe – und die Aussage des Gantführers, dass «Frauenschuhe immer von Männern gekauft werden», sorgt für Schmunzeln im Publikum. Er hat recht. Auch an diesem Nachmittag werden die zahlreichen Frauenschuhe allesamt von Männern ersteigert.
Erfahrene Bieter und hartnäckige Verhandlungen
Aber nicht alle Artikel finden an diesem Nachmittag einen Abnehmer. Drei Sets mit je drei Zippo-Feuerzeugen in einem Schweberahmen bleiben unverkauft. Ein potenzieller Käufer wollte den Mindestpreis von 80 Franken je Set nicht zahlen und versuchte zu verhandeln. Doch der Gantführer lässt keine Zugeständnisse über 10 Franken zu, sonst «bekomme er Lämpe». Er bleibt hart.
Ein Erlebnis der besonderen Art
Zwischen den Geboten findet der Gantführer immer wieder Zeit für Spässe. Die Stimmung ist gelassen. Man ist als Teilnehmer gut unterhalten und spürt, dass viele der Anwesenden oft dabei sind.
Trotz der lockeren Stimmung arbeitet der Gantführer routiniert und zügig. Nach einer Stunde sind knapp 100 Artikel für rund 16'000 Franken versteigert. Das ist der Zeitpunkt für eine Pause. Gantführer übergibt das Gantpult an seine Kollegin. Schliesslich sind heute noch weitere 50 Artikel zu versteigern.
Bist du auch ein Schnäppchenjäger? Beweis es in unserem Schnäppchen-Quiz
Möchtest du auch einmal dabei sein?
Die öffentlichen Versteigerungen in der Hardau finden jeden Donnerstagnachmittag zwischen 14 und 17 Uhr statt. Die zu versteigernden Gegenstände werden immer am Freitag vor dem Gantdatum auf der Website des Gantlokals Hardau sowie im Kantonalen Amtsblatt veröffentlicht. Zusätzlich zu den Gantterminen versteigert das Gantlokal auch online über eine eGant-Plattform.