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Warum sich Schweizer Banken verändern müssen, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben

Mitarbeitende gesucht

Warum sich Banken verändern müssen, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben

· Online seit 24.02.2022, 07:59 Uhr
Fast 70 Prozent mehr offene Stellen als vor einem Jahr – die Nachfrage nach Mitarbeitenden bei den Schweizer Banken ist stark angestiegen, sagen Personalvermittler. Machen der Finanzbranche die Skandale der letzten Zeit zu schaffen? Wir haben nachgefragt.
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Vincenz-Prozess, CS-Datenleck, Kritik aus der Politik – die Schweizer Bankenwelt macht aktuell mit einigen Skandalen auf sich aufmerksam. Vor allem die Credit Suisse findet sich in den Schlagzeilen wieder – und hat scheinbar Mühe, Mitarbeitende zu finden. 650 Stellen seien bei der Grossbank in der Schweiz gerade unbesetzt, berichtete "20 Minuten". Fast doppelt so viele wie bei der Konkurrentin UBS.

Nachfrage nach Bankfachleuten steigt sprunghaft

Die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt seien nicht auf die CS beschränkt, sagen Personaldienstleister. Die Zahl der schweizweit ausgeschriebenen Stellen für Bankfachleute stieg zwischen Januar und Februar 2022 um mehr als 17 Prozent, wie Stephan Surber, Senior Partner beim Beratungsunternehmen Michael Page, zu ZüriToday sagt. Insgesamt habe die Nachfrage in den letzten zwölf Monaten um 68 Prozent zugenommen.

Veronica Melian, Leiterin Human Capital beim Beratungsunternehmen Deloitte Schweiz, bestätigt diese hohe Nachfrage: «Banken und Versicherungen haben derzeit Probleme beim Zugang zu Personal, insbesondere zu Fachkräften.» Das gelte aber auch für viele andere Firmen, wie eine Umfrage unter Finanzverantwortlichen in Unternehmen zeige.

Neue Erwartungen bei Banken und Kandidaten

Die Gründe für die gestiegene Nachfrage nach Personal sieht Michael Page nicht bei den Skandalen. «Der Markt hat sich gewandelt. Zum Beispiel führte die von der Pandemie verstärkte Digitalisierung zu einem Mangel an Mitarbeitern mit IT- und spezifischen digitalen Fähigkeiten», sagt Stephan Surber. Personal sei besonders in den Bereichen Informatik, Risikomanagement, Vermögensverwaltung, Privatmarkt sowie Umwelt, Soziales und Corporate Governance (ESG) gefragt.

Laut Deloitte sind gewandelte Bedürfnisse mitverantwortlich für den Mangel an Mitarbeitenden – sowohl auf Seiten der Firmen wie der Kandidaten. «Seit der Erholung nach dem Konjunktureinbruch im Jahr 2020 haben sich Bedürfnisse der Unternehmen verändert», sagt Veronica Melian. Stichworte seien hier: Agilität, Datenanalyse und Digitalisierung.

«Da sich auch die Belegschaft sowohl in ihrer Zusammensetzung als auch in ihrer Motivation verändert, sehen wir jüngere Generationen mit anderen Erwartungen in Bezug auf eigenes gesundheitliches Wohlbefinden, Work-Life-Balance, Nachhaltigkeit, berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und das Arbeitgeber-Image insgesamt», so Melian weiter.

Herrscht auf dem Finanzplatz ein angespannter Arbeitsmarkt?

Die Zürcher Banken sehen das Problem nicht akut. Die UBS beobachtet derzeit keinen spezifischen Personalmangel im Schweizer Arbeitsmarkt, wie es auf Anfrage von ZüriToday heisst. Die Bank sei ein im Markt beliebter und attraktiver Arbeitgeber, was bei der Gewinnung von Kandidaten helfe.

«Wir stellen fest, dass die Fluktuation während der Pandemie ausserordentlich tief war. Es zeigt sich ein gewisser Nachholbedarf», sagt die UBS. Gesucht seien aktuell vor allem Fachkräfte in den Bereichen Digitalisierung und agiles Arbeiten.

Die IT ist auch bei der Zürcher Kantonalbank derjenige Bereich, in dem Nachfrage nach neuen Mitarbeitenden besteht. Einen generellen Mangel oder eine gestiegene Nachfrage nach Bankfachleuten sieht die ZKB ebenfalls nicht. Allerdings: «Es ist Bewegung im Arbeitsmarkt feststellbar», sagt eine Sprecherin. «Es gibt Marktteilnehmer, die wachsen, oder an Attraktivität verloren haben.»

Die Credit Suisse habe im Januar 2022 in der Schweiz 48 Prozent mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rekrutiert als im Vorjahr, schreibt die Bank. «Die Credit Suisse bleibt eine attraktive Arbeitgeberin.» Man sei sich bewusst, dass sich die Anforderungen an den Arbeitgeber in einem ständigen Wandel befinden. «Unsere Mitarbeitenden sollen die bestmöglichen Rahmenbedingungen haben, in denen sie optimal arbeiten können – und dies idealerweise über viele Jahre hinweg.»

Macht den Banken die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu schaffen? «Wenn man den aktuellen Presseberichten folgt, dann leidet die Bankbranche», sagt die ZKB-Sprecherin. Es sei jedoch auch so, dass der Konkurrenzdruck zunehme und andere Branchen profitieren könnten. Zudem spiele die demographische Entwicklung eine Rolle. «Die Zahl an Talenten nimmt ab», so die ZKB.

Das Image und eine gute Geschichte zählen

Was empfehlen die Rekrutierungs-Profis den Banken bei der Suche nach Personal? Wichtig sei, dass Firmen ihre Versprechen klar kommunizieren und dann auch erfüllen, sagt Stephan Surber von Michael Page. Themen seien hier etwa die Weiterbildung und die Balance zwischen Büro und Homeoffice. «Dies ist insbesondere für Arbeitnehmer entscheidend, die am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen.»

«Mitarbeitende erwarten von Unternehmen zunehmend, dass ihre Arbeit sinnstiftend ist und ihnen auch eine persönliche Befriedigung bietet», ergänzt Veronica Melian von Deloitte Schweiz. Alle Unternehmen – auch Banken – müssten sich in Zukunft auf diese Erwartung einstellen und darauf vorbereitet sein, dass ihre Angestellten abspringen.

Unternehmen müssten sich langfristig verändern, um bevorzugte Arbeitgeber zu bleiben und die wichtigen und richtigen Leute an sich zu binden, fasst Melian zusammen. Hierbei gehe es auch um das Image des Arbeitgebers und eine gute Geschichte, warum die Menschen für ein bestimmtes Unternehmen arbeiten möchten. «Dies ist ein langfristiger Prozess, der einigen leichter fallen wird als anderen.»

veröffentlicht: 24. Februar 2022 07:59
aktualisiert: 24. Februar 2022 07:59
Quelle: ZüriToday

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