Immer mal wieder ist irgendwo zu lesen, dass eine Schildkröte ausgerissen und abgehauen ist. Sei es auf Facebook in einer Ortsgruppe, weil jemand eine Schildkröte im eigenen Garten oder auf der Strasse gefunden hat, oder in Zeitungsberichten.
In Winterthur Seen entschwand kürzlich ebenfalls eine Schildkröte. Zimba wohnt mit seinem Gspändli Momo schon lange bei Sybille Akeret und ihren vier Kindern und war zuvor noch nie ausgebüxt. Bis zu diesem einen Donnerstag im Juni, wie Sybille gegenüber Today erzählt.
Die beiden Schildkröten leben getrennt voneinander, da die beiden Männchen «dauernd miteinander streiten», erklärt Sybille. Neben den beiden Schildkröten leben bei der Familie auch noch ein junger Hund und eine Katze.
Ausbruchsicher? Nicht für Schildkröte Zimba
«Wir dachten eigentlich, dass der Zaun ausbruchsicher ist», erzählt Sybille weiter. «Wir haben ihn extra hoch gemacht». Eines der Bretter habe sich aber etwas gelöst, weil der Hund manchmal ins Gehege springe, um den Schildkröten Hallo zu sagen. Wie sie erklärt, muss die Schildkröte dann da irgendwie rausgekommen sein.
Dass etwas faul ist, habe sie nicht sofort gemerkt. «Am Donnerstag dachte ich noch, dass er sich irgendwo versteckt. Als ich Zimba dann am Freitag immer noch nicht finden konnte, sind wir die Nachbarschaft abgelaufen und haben überall geklingelt», erklärt Sybille.
Smarties statt Schildkröte
Weil der Garten so riesig ist, musste Verstärkung her. Was Sybille an dem Tag in die Karten spielt, ist ihr Beruf. Sie ist Kindergärtnerin. Mit zwei Kindergarten-Klassen und ungefähr 50 Kids suchte sie dann einen ganzen Morgen lang die Wiese ab. Leider erfolglos. «Zwei Studierende haben aber noch kleine Smarties-Päckli verteilt, damit die Kleinen sicher etwas finden», erklärt sie. Die Enttäuschung, dass man die Schildkröte nicht gefunden habe, sei aber natürlich trotzdem da gewesen.
Dass Zimba den Weg nach Hause gefunden hat, verdankt die Familie schlussendlich Facebook und aufmerksamen Usern. In der Gruppe «Du bisch vo Winterthur wenn...», postete jemand ein Foto des Tierchens.
Unter Beobachtung
Die Person, die Zimba gefunden hat, brachte das Tier zu einem Freund, der ebenfalls Schildkröten hat, bis sie wieder nach Hause gebracht werden konnte. Sybille weiss, wie flink die Tierchen sein können. «Wenn wir sie im Garten laufen lassen, muss man sie immer im Auge behalten», erklärt sie.
Da dies kein Einzelfall zu sein scheint, stellt sich die Frage, woran es liegt, dass die Tierchen anscheinend irgendwann die Schnauze voll haben und sich aufmachen, neues Terrain zu erkunden. Liegt es einfach in ihrer Natur? Suchen sie so paarungsfreudige Artgenossinnen und Artgenossen?
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Unterschätzte Kletterer
Zoologe und Leiter Fachbereich beim Schweizer Tierschutz STS Samuel Furrer klärt auf. Auf die Frage, warum Schildkröten immer wieder mal ausbüxen, antwortet der Experte: «Weil sie es können». Das klingt im ersten Moment simpel. Furrer führt aber weiter aus, dass Landschildkröten oft unterschätzt werden, was ihre Mobilität anbelangt. «Sie klettern recht gut und bewegen sich flink und rasch. Es braucht senkrechte, nicht kletterbare Barrieren in genügender Höhe, um ein Gehege ausbruchsicher zu machen.»
Das alleine hält die Tiere aber noch nicht davon ab, das Weite zu suchen. Ist das Gehege beschädigt, oder liegt ein grosser Ast davor, können Schildkröten dies als Ausstiegshilfe nutzen. Auch besonders stark wachsende Vegetation kann als Kletterhilfe verwendet werden, meint Zoologe Furrer.
Vorsicht ist auch geboten, wenn man Schildkröten frei im Garten laufen lässt. «Wenn man sie dann nicht permanent beobachtet, sind sie schnell entwischt», so Furrer. Die Gründe dafür, dass Schildkröten Reissaus nehmen, sind vielfältig, meint der Zoologe.
Regelmässige Kontrollen und Merkblätter
Zum einen seien Schildkröten durchaus neugierige und erkundungsfreudige Tiere. Auch das Gehege kann Einfluss auf die Zufriedenheit haben, wenn es beispielsweise nicht den Bedürfnissen entsprechend eingerichtet ist oder sozialer Druck unter den Tieren besteht.
Als Basis-Tipps meint Samuel Furrer: «Wichtig ist eine regelmässige Kontrolle der Einzäunung. Werden mehrere Tiere zusammen gehalten, muss auch das Verhalten der Tiere im Sozialverband beobachtet werden. Kommen alle Tiere genügend gut ans Futter, gibt es Streitereien oder sogar Beissereien. Ist ein Tier stets unter Druck, gilt es zu reagieren. Allenfalls gewisse Tiere auch einmal temporär abzutrennen, um wieder mehr Ruhe in die Gruppe zu bringen, kann helfen. Ich verweise hier auch gerne auf die STS-Merkblätter zur Haltung von Landschildkröten.»