Zürich

Kantonsschule Uetikon am See nutzt KI bei Maturaprüfung

Moderne Prüfung

Gymischüler in Uetikon schreiben Maturaprüfung mit KI

· Online seit 10.07.2024, 04:45 Uhr
Die Maturandinnen und Maturanden der Kantonsschule Uetikon nutzten bei ihrer Maturaprüfung Künstliche Intelligenz. Zum Einsatz kam die Technologie unter anderem beim Deutschaufsatz. Einfacher wurde die Prüfung deswegen nicht.
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Künstliche Intelligenz (KI) gilt in der Bildung oft als Schreckgespenst. Schnell ist die Befürchtung da, dass Schülerinnen und Schüler ihre Ufzgi und Prüfungen von Robotern erledigen lassen. Lauter junge, dumme Menschen, die dem Untergang der Schule zuschauen, tauchen als Horrorszenario auf.

Bei der Kantonsschule Uetikon am See hält die Technologie bereits Einzug. Die Maturandinnen und Maturanden schrieben Teile ihrer Maturaprüfung dieses Jahr mit KI. Diese sei in den Fächern Deutsch und in einzelnen Prüfungsteilen auch in Französisch und Italienisch zum Einsatz gekommen, sagt Rektor Martin Zimmermann auf Anfrage. Dabei seien die Aufgabenstellungen und die Beurteilungskriterien entsprechend angepasst worden.

«Höhere Erwartungen»

Im Fach Deutsch griffen die Maturandinnen und Maturanden beim Aufsatz zu KI. Laut Philippe Wampfler, Deutschlehrer am Uetiker Gymi, konnten sie KI sämtliche Fragen zum vorgegebenen Thema stellen. Mit einer guten Rechtschreibung konnte aber niemand mehr punkten. «Eine korrekte Orthografie wird erwartet, wenn KI zum Einsatz kommt», sagt Wampfler. Dagegen gab es Abzug, tauchten trotzdem Rechtschreibfehler auf.

Gleichzeitig war das Aufsatzthema so gestellt, dass die Maturandinnen und Maturanden nicht darum herumkamen, persönliche Urteile und Erfahrungen in den Text zu verarbeiten. «Denn spätestens, wenn es um Erlebnisse und persönliche Meinungen geht, hilft KI nicht mehr weiter», sagt Philippe Wampfler. Es sei darum gegangen, mithilfe von KI eine möglichst gehaltvolle und persönliche Leistung zu erbringen. «Die Erwartungen waren damit höher als bei einem Aufsatz ohne Einsatz von KI.»

Note Sechs dank KI?

Der Zürcher Regierungsrat beschloss 2019 die Strategie «Digitaler Wandel an kantonalen Schulen der Sekundarstufe II». Ein Projekt, das Teil davon ist, befasst sich mit Maturaprüfungen im Fremdsprachenunterricht, bei denen das Notebook benutzt wird, sogenannten Open-Notebook-Prüfungen. Dazu steht: «Grammatikübungen oder Übersetzungen als wesentlicher Bestandteil von Maturaprüfungen sind nicht mehr zeitgemäss.» Grund dafür sei, dass diese die in Zukunft erforderliche kommunikative Handlungskompetenz nicht erfassten.

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Bei den Maturaprüfungen in Französisch und Italienisch mussten die Schülerinnen und Schüler im zweiten Teil der schriftlichen Prüfung einen kompetenten Umgang mit maschinellen Übersetzungstools unter Beweis stellen. Die zuständigen Fachschaften sprechen von einem «Setting, in dem die autonome Kompetenz, kultursensibel komplexe authentische Dokumente zu analysieren, noch sichtbarer wird».

Wer glaubt, dass sämtliche Maturandinnen und Maturanden die Prüfungsteile dank KI mit einer Sechs abgeschlossen haben, liegt falsch. «Die Resultate entsprachen den Leistungen der Schülerinnen und Schüler, wie sie sie auch im Unterricht zeigten», sagt Rektor Martin Zimmermann.

Der Einsatz von KI war an der Maturaprüfung keine Premiere. Für Korrekturen, Ideenfindung und Recherche-Ansätze war die Technologie laut Martin Zimmermann bereits Teil des Unterrichts. Weil die Prüfungssituation eine Fortsetzung des Unterrichts sei, in dem die digitalen Medien eingesetzt und verwendet würden, sei KI auch Teil der Maturaprüfung gewesen. «Zudem erlaubt die kompetente Nutzung der Tools, fachrelevante Kompetenzen zu erheben und zukunftsrelevante Schreibstrategien zu prüfen.»

Gymnasium solle sich weiterentwickeln

Noch ist unklar, ob auch andere Gymis nachziehen. KI werde immer stärker zur Realität im Berufsalltag gehören, heisst es bei der Zürcher Bildungsdirektion auf Anfrage. «Es ist deshalb wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler einen verantwortungsbewussten, konstruktiven und kritischen Umgang mit KI-Anwendungen im Unterricht lernen können.» Inwiefern dies auch Auswirkungen auf die Maturitätsprüfungen haben werde, lasse sich aktuell nicht sagen.

Für Lucius Hartmann, Präsident des Vereins Schweizerischer Gymnasiallehrerinnen und -lehrer, steht fest, dass sich bei KI-Prüfungen die Beurteilungskriterien ändern müssen. Dies sei bereits der Fall, wenn der Taschenrechner an einer Prüfung erlaubt sei. «Dann werden auch höhere Erwartungen an das Resultat gesetzt.»

Er ist überzeugt, dass sich KI kaum von der künftigen Gesellschaft wegdenken lassen wird. «Das Gymnasium sollte sich stets weiterentwickeln und auf Änderungen in seinem Umfeld flexibel reagieren», sagt Hartmann. Die hohe Autonomie der Schulen und Lehrpersonen ermögliche solche Projekte. «Sobald konkrete Resultate vorliegen, kann dann gezielt eine Empfehlung ausgesprochen werden.»

veröffentlicht: 10. Juli 2024 04:45
aktualisiert: 10. Juli 2024 04:45
Quelle: ZüriToday

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